„Alexa, erinnere mich bitte an das Meeting um 17:00 Uhr!“ „Siri, rufe bitte Dr. Becker an!“ „Cortana, lies mir bitte den Vertragsentwurf vor!“ „Bixby, hole mir bitte ein kaltes Bier!“. Zugegeben, wirklich alle Wünsche werden von den auf Künstliche Intelligenz (KI) gestützten Helferlein noch nicht erfüllt – aber ihre Möglichkeiten wachsen mit zunehmendem Tempo, genau wie ihre Verbreitung in privaten und beruflichen Kontexten. Und das, obwohl die bisher dominanten Anwendungen, wie „smarte“ Kalendererinnerungen oder das Vorlesen eines Texts, nicht einmal im Ansatz an den Möglichkeiten, die KI eröffnet, kratzen. Richtig entwickelt und eingesetzt hat KI das Potential, von einem Helferlein im Privatleben zu eine*r Kolleg*in im Berufsleben zu werden, mit der man gemeinsam Arbeit besser bewerkstelligt und Ideen zu Tage fördert, für deren Entwicklung man alleine weder Zeit noch die nötigen Informationen gehabt hätte. So drängt es sich auf, dass Künstliche Intelligenzen Eingang in die Unternehmen halten müssen, wenn diese die Digitalisierung ernst nehmen.
Alexa, Siri, Cortana und ihre diversen Geschwister im SmartHome oder Auto sind gut in unser Privatleben integriert. Anfänglich belächelte man die oft gehörten Variationen von „ich habe Dich leider nicht verstanden“ oder die völlig sinnfreien Ergebnisse, mit denen wir konfrontiert wurden. Heute staunt man hingegen, wie selbstverständlich unsere Fragen, Bitten, Aufforderungen verstanden und ausgeführt werden. Alexa und ihre Schwestern waren aufmerksam und haben mit jeder Anfrage dazugelernt. Jede ihnen anvertraute Aufgabe (oder jedes mitgehörte Gespräch) und jede von uns gewählte alternative Formulierung haben den im Hintergrund arbeitenden Künstlichen Intelligenzen geholfen, Inhalte, Bedeutungen und Kontextabhängigkeiten immer exakter zu erfassen. Die KI lernten, aus einem Kontext Schlüsse zu ziehen und diese in ein der Situation angemessenes Ergebnis zu übersetzen.
Sprechen will gelernt sein – auch eine KI muss üben
Dieses Natural Language Processing (NLP), das maschinelle Lernen und Verarbeiten von Sprache im jeweiligen Kontext, ist eine Königsdisziplin in den immer weiter greifenden Anwendungsgebieten künstlich er Intelligenzen.
NLP analysiert und interpretiert Inhalt und Struktur von Sprache und Texten. Dabei brechen Algorithmen die Texte in einzelne elementare Satzbestandteile herunter, bestimmen die Beziehung zwischen den einzelnen Wörtern und ermitteln so die aus dem Zusammenspiel der einzelnen Satzteile entstehende Bedeutung. Auf diese Weise erkennt das System nicht nur die Thematik des Textes und extrahiert relevante Informationen, sondern erfasst auch die implizite Bedeutung der Textstruktur sowie die semantische Ebene der Sprache. Kurzum: Eine NLP-KI versteht Sprache ähnlich gut wie entsprechend ausgebildete Menschen.
Alle Lebensbereiche, in denen Sprache eine wichtige oder sogar dominante Rolle spielt, sind damit gleichermaßen Herausforderung und Nährboden für NLP. Die Herausforderung besteht darin, sich das Vokabular und die semantischen Konzepte des jeweiligen Lebensbereichs anzueignen. Die KI muss hier – wie ein Mensch auch – immer wieder neu beginnen, auch wenn ein Grundstock an Wissen über Sprache allgemein schon vorhanden ist. Damit bieten, diejenigen Lebensbereiche, in denen Sprache einen besonderen Stellenwert einnimmt und entsprechend ausgiebig genutzt wird, ein hervorragendes Lernumfeld für eine KI. Denn je mehr Input die Algorithmen bekommen, desto schneller werden sie besser.
Mit NLP zu Deep Legal Tech
Das Recht und die Rechtsanwendung sind damit prädestiniert für NLP und das Anlernen von KI. Denn Sprache und das Sprachverständnis (Auslegung) machen den Kern „der Juristerei“ aus. Im Fokus steht hier zunächst weniger die Sprach- als die Texterkennung. Das Ergebnis ist aber dasselbe: Die analytische Texterkennung mittels NLP hat das Potenzial, die Digitalisierung juristischer Prozesse auf ein ganz neues Level zu heben.
Natural Language Processing bleibt nicht dabei stehen, Texte zu klassifizieren und in Kategorien wie Verträge, Urteile oder juristische Empfehlungen einzusortieren. Diese Form der KI kann weit mehr leisten, als das derzeit als „Legal Tech“ bezeichnete schlichte Automatisieren in Form von Vertragsgeneratoren, elektronischen Akten oder statischer Textauswertung auf Basis von Schlagwörtern.
Mithilfe von NLP ist es möglich, Informationen und Zusammenhänge aus verschiedenen Quellen zu extrahieren, zu bündeln und dann zentral auszuwerten. Eine solche KI kann beispielsweise darauf trainiert werden, Dokumente und Schriftverkehr – formal oder in internen Chats – in einem Unternehmen hinsichtlich bestimmter juristischer Fragestellungen zu überprüfen. Damit legt NLP den Grundstein für digitale Rechtsanwendungen, die als Deep Legal Tech einen tatsächlichen Mehrwert für Unternehmen bieten. Denn je besser ein solches Assistenzsystem funktioniert, desto effizienter kann es im Unternehmen unterstützen, Vorarbeiten übernehmen und Mitarbeiter entlasten.
Möglichkeit trifft auf Widerstand
Das klingt toll, oder? Woran liegt es dann, dass es noch keine wirkliche Deep Legal Tech Lösung gibt? Die Antwort kennen wir: Gewohnheit und Besitzstandsdenken. Deep Legal Tech erfordert ein Umdenken in Unternehmen und die aktive Mitarbeit. Eine KI ist nur so gut wie die Datenbasis, an der sie lernen kann. Unternehmen, die bereit sind, ihre Datenquellen zu öffnen, ermöglichen es der KI, das Unternehmen zu verstehen; zu verstehen, wie das Unternehmen denkt, spricht, was es aussagen möchte oder was es fragt. Die KI kann so zum organischen Teil des Unternehmens werden und die Antworten und Informationen liefern, die gerade wirklich benötigt werden. Am Anfang werden uns wieder viele Variationen von „ich habe Dich leider nicht verstanden“ zum Lächeln bringen. Schnell werden Unternehmen dann aber die Ergebnisse bestaunen, die mit der KI erzielt wurden.
Die Öffnung erfordert Mut zur Transparenz. Mut, unbequemen Wahrheiten zu begegnen aber auch den Mut, den neuen KI-Kolleg*en eine Lernkurve zuzugestehen, also für einige Zeit „unrunde“ Abläufe zu ertragen.
Unternehmen, die es mit der Digitalisierung ernst meinen, müssen diesen Mut aufbringen und KI in ihre Geschäftsprozesse einbinden. Deep Legal Tech ist hier besonders gut geeignet, weil juristische Prozesse so eng mit anderen Unternehmensvorgängen verknüpft sind und daher ein besonderes Erfolgs- und Entlastungspotential bieten. Der kurzfristige Mehraufwand wird schnell nivelliert, wenn die KI ihr Potential entfaltet, Mitarbeiter entlastet und Informationen zutage fördert, die sonst vielleicht nicht berücksichtigt worden wären.
Die Zukunft gehört den Mutigen – und ihrer KI
Sie unterschreiben das alles und sind bereit für die Digitalisierung, Ihnen fehlt nur ein konkretes Produkt, mit dem Sie durchstarten könnten? Wir hätten da eine Idee…